Buchprojekt zu Michel Knop
Michael Knop lebte von 1900 bis 1998 und war ein Mann des 20. Jahrhunderts, der die Zäsuren des Jahrhunderts politisch aktiv erlebte. Michael Knop, genannt Michel, hieß bei Widerstandsaktionen von Holland aus „Möller“; im Untergrund in Belgien benutzte er den Decknamen „Karl“.
Geboren 1900 in Sodingen, nördliches Ruhrgebiet, erlebte er als Bergarbeiter die Novemberrevolution und die Weimarer Republik, musste als Widerstandskämpfer gegen die nationalsozialistische Diktatur Schutzhaftlager, Zuchthaus und KZ Sachsenhausen ertragen und lebte nach der Befreiung ab 1951 bis zu seinem Tod 1998 in Bielefeld. Er wurde anonym in einem Urnengrab auf dem Sennefriedhof bestattet.
Willi Aders-Zimmermann rekonstruiert anhand von Dokumenten ein Leben im 20. Jahrhundert. Historische Quellen, die bei der Spurensuche zu Tage gefördert wurden, ermöglichen eine Lebensbeschreibung, die fragmentarisch bleibt.
Zum Autor:
Willi Aders-Zimmermann, geb.1951 in Düsseldorf
Studium Geschichte und Sozialwissenschaften in Münster,
35 Jahre Lehrer am Gymnasium am Markt, Bünde
Lebt heute in Bielefeld
Willi Aders-Zimmermann: Michel Knop. Widerstand und Lagerhaft in der NS-Zeit und Opposition in der Bundesrepublik Deutschland. 1900 Sodingen – 1998 Bielefeld.
150 Seiten, Jacobs Verlag, Detmold 2021
ISBN 978-3-89918-286-6
21 Euro, erhältlich seit Herbst 2021
Interview mit Willi Aders-Zimmermann
Lieber Willi, du bist unter die Autoren gegangen. Ist deine Spurensuche zu Michel Knop dein Erstlingswerk?
Ja. Mein erstes Buch hat aber eine 20-jährige Vorgeschichte. Nach Michels Tod 1998 nahm ich mir vor, seine 100-jährige Lebensgeschichte mal zusammen zu stellen. Aus einer zunächst angedachten Broschüre entstand das Buch.
Du erwähnst im Vorwort, dass du Michel Knop 1980 im Carl-von-Ossietzky-Zentrum kennengelernt hast. Erinnerst du dich, was dir den Anstoß gab, seine Biographie nun tatsächlich schriftlich festzuhalten?
Einen konkreten Anlass hatte ich eigentlich nicht. Beim Aufräumen meines Arbeitszimmers fand ich eine kleine Marxfigur, die er mir mal geschenkt hatte, und etwas aus seinem Nachlass. Das erinnerte mich daran, dass ich seine Lebensgeschichte aufschreiben wollte. Nun stellte ich fest, dass ich kaum etwas über ihn aus der Zeit von vor 1945 wusste. Um seinen 120. Geburtstag herum machte ich mich an die Arbeit, ich ging auf Suche.
Dabei hast du Michel Knops Lebensweg rekonstruiert und zeigst auch sein antifaschistisches Engagement nach 1945. Ist das Buch also hauptsächlich eine Dokumentation, oder sind dir auch aktuelle, politische Bezüge wichtig, in die der Einsatz deines Freunds einzuordnen ist?
Beides ist mir wichtig. „Die Menschen machen ihre Geschichte selbst, wie sie auch immer ausfalle, …“ (Friedrich Engels, MEW, Bd. 21, S. 297), sie haben demnach auch eine eigene Verantwortung vor der Geschichte. Die Dokumentation über Michel Knop zeigt, wie er sich in wichtigen historischen Phasen der deutschen Geschichte verhalten hat. Sein antifaschistischer Widerstand wird zum ersten Mal anhand von Akten der Justiz und der Gestapo belegt. Sein Engagement nach 1945 ist geprägt durch seinen Widerstand gegen Neofaschismus, Aufrüstung, für Entspannung mit den Ländern im Osten und seinem Engagement in der Friedensbewegung. Auch hier gibt es zahlreiche bislang unveröffentlichte Dokumente.
Die Frage, wie man den aufkommenden Neofaschismus bekämpfen soll, steht heute auf der politischen Tagesordnung. Stehen wir wieder vor 1933? Ist die heutige Situation vergleichbar mit dem Ende der Weimarer Republik? Ein Blick in die deutsche Geschichte ist somit angesagt. Welche Lehren kann man aus der Geschichte Michel Knops ziehen?
Hat denn die Beschäftigung mit Michel Knops Lebensgeschichte dir neue Erkenntnisse gebracht?
Die Frage eines Vergleiches von heutigen und historischen Verhältnissen stellte sich an verschiedenen Stellen des Buches. Es ist eine Binsenweisheit, dass 1933 nicht 2022 ist. Aber die politische Motivation, Erfahrungen und Einstellungen für den Widerstand damals gelten auch heute: gegen Krieg, für soziale Rechte, Menschenrechte im Allgemeinen. Michel Knop zog in einem Interview 1986 ein Resümee. Hitler kam an die Macht, weil die Arbeiterparteien tief verfeindet waren: „Wir [von der KPD] haben Fehler gemacht, aber die SPD auch.“ Auch ideologische und strategische Differenzen hätte man angesichts des drohenden Faschismus hintanstellen müssen. Ein gemeinsames Vorgehen aller Hitlergegner kam nicht zustande. Es fehlte die Einigkeit aller Gegner des Faschismus, um diesen zu verhindern. Nicht unbedingt eine neue Erkenntnis, aber auch heute von zentraler Bedeutung.
Hast du mit der Erforschung von Michel Knops Aktivitäten gegen die Nazis Einblicke gewonnen, wie herausfordernd sein Einsatz war?
Michel Knop wurde 1935 an der Grenze zu Holland verhaftet wegen des Schmuggels von 150 Flugblättern und Schriften. Dies besagt schon fast alles. Die Widerstandsbewegung von 1933-1945 erreichte nicht die breite Bevölkerung. Der massenhaft verbreiteten Propagandamaschine der Nazis konnten die Widerstandskämpfer nichts Wirksames entgegensetzten. Viele Widerstandskämpfer*innen setzten ihr Leben ein, z. B. bei dem Verbreiten von Flugblättern (s. a. Geschwister Scholl). Für Michel folgten ab 1935 Jahre im Exil, im Gefängnis bzw. Zuchthaus und im KZ. An eine Arbeit in seinen Berufen (Metzger mit Gesellenbrief, Bergmann) ist nicht mehr zu denken, zu schwer sind die Folgen seiner langen Haftzeiten (6 Jahre) gewesen. Nach 1945 bekommt er eine Invalidenrente.
Welche Gedanken begleiten dich seit der Arbeit an dem Buch bis heute?
Ich hätte mehr bei Michel nachfragen sollen.
Eine demokratische Bewegung muss heute verhindern, dass die Freiheit von Medien und Massenmedien eingeschränkt wird. Ungarn und Polen z. B. sind heute warnende Beispiele.
Wie erreicht man heute Menschen, die sich nicht mehr für allgemeine Nachrichten und Politik interessieren, die im Fernsehen/Internet nur noch nach Unterhaltung suchen und Werbung konsumieren?
Viele Menschen lassen sich über ihre Chatrooms informieren, beeinflussen und für politische Aktionen gewinnen. Eine Diskussion mit Menschen anderer Meinungen findet dort kaum statt. Neonazis mobilisieren geschickt zusammen mit Querdenkern in einer neuen Aktionsform (‚spazieren gehen‘), verabreden über Telegram Hetze gegen Andersdenkende, verbreiten Gewaltaufrufe gegen Antifaschisten und andere Demokraten. Hier findet vergleichbare Hetze statt, wie sie die SA auf der Straße und andere Naziakteure in Medien und Parlamenten vor 1933 betrieben. Die Saat ging auf.
Wie aber geht man heute gegen die Hetze in neuen Medien und (geschlossenen) Chatrooms vor?